Hugo Mastrolorenzo: innovativer Tänzer und Forscher

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Hugo y Agustina Balada para un loco

Hugo Matrolorenzo gehört seit einiger Zeit zu den einflußreichsten Tänzern der Tango Community weltweit. Basis dafür ist nicht nur sein tänzerisches Können, sondern auch die Innovationskraft seiner Choreografien und seine analytische Durchdringung des Tango. Hugo entwickelt Konzepte, die den Tanz als inhaltliches Ausdrucksmittel auffassen. Dabei geht es ihm nicht darum, bekannte Figuren noch schöner zu tanzen oder neue Schritte zu erfinden, welche die Tanzfertigkeit und Athletik zu weiteren Höhen führen. Die technische Vervollkommnung ist für Mastrolorenzo bedeutend, aber darüber hinaus fragt er: was soll mit dem Tanz ausgedrückt werden. Was will ich als Tänzer ausdrücken. Tango als Kommunikationsmittel.

Die Themen können gesellschaftlich sein, aber auch sehr individuelle und private Gefühle. Hervorragende Beispiele sind meiner Ansicht nach in Hugos Arbeit mit Gefangenen zu sehen oder in seiner hinreißenden Interpretation des Begehrens wie sie  zum Beispiel  mit Agustina Gomez  zum Tangoklassiker  Buscandote (= Dich suchend), gespielt vom El Cachivache Quintetto realisiert wurde.

Hugo Mastrolorenzo y Agustina Gomez bailan „Buscandote“

Die grundsätzliche Fragestellung „Was soll mit dem Tango ausgedrückt werden“ ist keineswegs nur eine Frage des Showtanzes, des Tanztheaters und der ausgefeilten Choreografien. Es ist eine fundamentalere Frage für jeden Tangotanzenden und damit auch für den sozialen Salon- und Pistentango: Warum tanze ich Tango, was will ich damit realisieren für mich und für meine Umwelt?  Seit einiger Zeit bieten Hugo und Agustina Vignau, seine ständige Tanzpartnerin, auch Kurse für den Tango als sozialen Tanz an.


Weithin bekannt wurden Hugo und Agustina Vignau  mit ihrer  Choreografie  zum Klassiker „Balada para un Loco“ (Piazzolla/Ferrer). Mit dieser Arbeit wurden Hugo und Agustina Camponeónes Mundiales in der Kategorie Showtanz bei der Tangoweltmeisterschaft 2016 in Buenos Aires. Dies ist nur einer von vielen Preisen, die Hugo bzw. das Tanzpaar Agustina und Hugo bekommen haben, aber sicher der mit der größten Weltwirkung.

Ihr Auftritt beim Camponeato Mundial 2016 war eine Provokation verglichen mit den traditionellen Showpaaren. Jürgen Ramspeck hat die Schlußfigur in der Tangodanza 4/2018 wunderbar beschrieben: „Die Siegerpose lässt die Tangowelt wie auf einem Gemälde für eine Sekunde stillstehen. Die Tänzerin in perfekter Körperspannung den Kopf weit nach hinten gestreckt, Augen geschlossen, in breitem Ausfallschritt, der von ihrem weißen Kleid gleichsam umschmeichelt wird. Gehalten wird sie an der Taille vom Oberarm des Tänzers, der auf einem Bein kniet und die Tänzerin wie ein Raubtier seine Beute im Arm hält.  Hugo Mastrolorenzo und Agustina Vignau haben mit dieser Pose kein perfektes Tango-Gemälde geschaffen – vielmehr zerstören sie es mit zahlreichen Details. Ihr Kleid scheint eher aus einem britischen Adelshaus der 50er-Jahre zu stammen. Neben dem Paar ist ein weißer Vogelkäfig aufgestellt, aus dem vor wenigen Sekunden ein roter Luftballon aufgestiegen ist. Sein Anzug grau, speckig, schmutzig und faltig, seine Haare ohne Gel, stattdessen strohblond mit Seitenscheitel.“ Die Performance war durch russische Clowns inspiriert und es ging dem Paar darum, das Thema Freiheit in der Ballade für einen Verrückten herauszustellen.  Das Publikum wie auch die Juroren waren begeistert.

Die einen nennen Hugo zuweilen Rebell, die anderen sagen, er könne für den Tanz das werden was Piazzolla für die Musik sei. Er selbst sagte uns, dass er mit seinen Ideen und Innovationen Beiträge zur Weiterentwicklung des Tangos als Tanz- und Ausdrucksform von heute leisten möchte.

Hugo hat den Tango als Tanz auch analytisch und historisch durchdrungen. Bisher veröffentlichte er folgende Arbeiten in Buchform:

– Tangonotacion
Eine Notation desTango für Tanzende, den Tanzunterricht und zur Darstellung von Schritten bzw. Choreografiedetails
 
Tango Tanz – Auf der Suche nach der Methode die er nie war.
In diesem Buch werden zunächst die fundamentalen Prämissen des Tango herausgearbeitet. Es folgt eine synthetische Betrachtung der aktuellen Unterrichtsmethoden und deren kritische Analyse vor dem Hintergrund der vorgestellten fundamentalen Prämissen. Eine historische Analyse der Unterrichtsstile erläutert, warum Unterrichtsmethoden und fundamentale Prämissen des Tango auseinanderfallen. Dieses Buch ist in deutscher Sprache erhältlich.
 
– Tango Danza – El Origen de la Especie
Hier werden die verschiedenen Erklärungsansätze zur historischen Entstehung des Tangotanzes vorgestellt, auch die verschiedenen Ausprägungen unter dem Namen Tango. Der breite Ansatz führt zu einem sehr guten Überblick was Tango alles war und Mastrolorenzo synthetisiert daraus eine neue Auffassung über die Entstehung des Tangos als Tanz. Dieses Buch ist gerade in einer erweiterten 3. Auflage erschienen.

– El Tango Murió en la Escena
Diese Arbeit enthält eine rigorose Auseinandersetzungen mit der aktuellen Situation des Tangotanzes. Mastrolorenzo stößt sich vor allem an der Ästhetisierung, dem immer wieder aufgewärmten musikalischen Repertoire, der mangelnden Innovation und der Spannung zwischen Markt und Kunst, die er bezüglich der mangelnden Entwicklung des Genres beobachtet.

Wir freuen uns, dass Hugo Mastrolorenzo in der nächsten Zeit auch in unserem Blog www.tango21.info einige Beiträge veröffentlichen will.
Sein erster Beitrag beschäftigt sich mit der Entstehung von Tandas und Cortinas: link

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