Über Tandas und Cortinas

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In der Flora und Fauna, die das Ökosystem des Milonga-Ambientes ausmacht, finden wir unterschiedliche Persönlichkeiten vor. So wie im Tango der „viejo Milonguero” besungen wird, finden wir heute jenen, den wir „Newmilonguero“ nennen könnten. In der Synthese gibt es heute zwei neue Typen von Newmilongueros: einer vertritt, worin er die sogenannten „traditionellen Gewohnheiten“ zu erkennen glaubt, wie z.B. die Verwendung von Tandas und Cortinas. Auf der anderen Seite der Münze finden wir die „Newmilongueros“, die damit brechen wollen. Sie besuchen Milongas, die bewußt ohne Tandas und Cortinas auskommen, als Geste des Bruchs mit der Tradition. In der Folge wollen wir analysieren, ob Tandas und Cortinas tatsächlich mit Traditionen verbunden sind und ob es sich bei deren Fehlen tatsächlich um die Geste eines Bruchs handelt.

Eine Tanda ist eine Reihe von Musikstücken, die üblicherweise aus vier Tangos, Milongas oder Walzern besteht und generell dasselbe Orchester präsentiert. Die Trennung der Blöcke erfolgt durch ein Musikstück, das einem anderen Genre zugeordnet werden kann und heißt Cortina. Während einer Milonga tanzen die Paare nach der Musik mehrerer Orchester, die in Tandas zusammengefaßt sind und von einer Cortina unterbrochen werden. Für den orthodoxen Newmilonguero ist eine Milonga, die dieser Logik nicht folgt, keine Milonga.

Wie entstanden die Tandas und Cortinas?


Das Konzept der Tandas und Cortinas gehört nicht zu den Ursprüngen des Tangos, wir können folglich nicht von einer ursprünglichen Tradition reden. Ganz im Gegenteil wurden die Tandas und Cortinas geboren, als der Glanz des Tangos zu verblassen begann, Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts und die Zahl der Orchester sich exponentiell reduzierte.
Vergegenwärtigen wir uns zwei zeitliche Referenzpunkte, wenn wir von den Ursprüngen des Tangos reden: da sind die Ursprünge des Tangos in der zweiten Hälfte des 19.Jh., so in etwa beginnend in den Jahren 1850-60; und andererseits haben wir das berühmte goldene Zeitalter der 1940er Jahre. Die Geburt der Tandas findet also in etwa 100 Jahre nach der Entstehung des Tangos und sogar nach seinem goldenen Zeitalter statt, während eines Zeitraums beginnender Dekadenz des Genres. In jener Zeit mussten die Stadtteil-Vereine auf Schallplatten zurückgreifen, die zu Beginn noch ganz durchgespielt wurden. Später wurden Auswahlen getroffen, und es wurden die „besten Stücke“ jeder Band gespielt, zumeist 3,4 oder 5 Lieder. An dieser Stelle wurde die Idee der Tanda geboren und mit ihr die Cortina.

Erinnern wir uns an das goldene Zeitalter des Tangos: das glanzvolle Jahrzehnt der Live-Orchester auf den Milongas. Das Orchester spielte ungefähr 30 bis 40 Minuten. Da steckte nicht die Idee der Tanda darinnen, wie wir sie heute kennen, sondern es wurde die ganze Zeit zur Musik dieser Gruppe getanzt. Später erlebte Argentinien sowohl die Etappen der Militärdiktatur als auch die Strömungen der hineinflutenden internationalen Rhythmen. In dieser Zeit hörte man fast ganz auf, Tango zu tanzen. Mitte der 1980er Jahre begann die Phase der Erneuerung: der Tango füllte erneut die Tanzflächen. Da fehlte jedoch die Dynamik der Milongas mit Live-Orchestern, wie sie in den 40ern üblich gewesen waren, also wurden Cassetten-Aufnahmen abgespielt mit Tandas und Cortinas.

Zusammenfassend können wir sagen, daß Tandas und Cortinas weder mit den Ursprüngen des Tangos in Verbindung gebracht werden können, noch gab es sie im sogenannten goldenen Zeitalter. Sie entstehen während der Zeit des Niedergangs des Tangos und konsolidieren sich in der Epoche seiner Selbsterneuerung in den 1980er und 90er Jahren.

Die eifrigen Verfechter der Tandas und Cortinas sollten also wissen, daß diese weder zu den Ursprüngen des Tangos noch in sein goldenes Zeitalter gehören, sondern eine neuzeitliche Entwicklung darstellen. Die Newmilongueros hingegen widmen sich keiner progressiven Form, wenn sie mit der sogenannten Tradition „brechen“, sondern befinden sich ganz nah an der ursprünglichen Tradition und dem goldenen Zeitalter. Je nach Gesichtspunkt verändern sich die Sachlagen, und die zwei Seiten einer Münze verwechseln sich über die Zeit. Es lebe der Tango – ohne oder mit Tandas! … Und… bis zu nächsten Milonga!

Originaltext: https://tango21.info/ueber-tandas-und-cortinas/
Übersetzung: Dr. Stela Popescu – Böttger

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