Neotango Landscape auf der Zeche Zollverein: tanzen, entdecken, erforschen!

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Neotango Landscape Marathon
Foto: Pascal Xicluna

Von Freitag 4. bis Sonntag, 6. August 2023 gibt es auf der Zeche Zollverein in Essen zum dritten Mal das dreitägige „Neotango Landscape Marathon“. Ein besonderes Event, denn es findet an einem außergewöhnlichen Ort statt, dem gewaltigsten Unesco Weltkulturerbe „tief im Westen“ Deutschlands.


Warum hier? Was macht diese Location mit uns? Was machen wir mit der Location?
Wer viel und gern tanzt, der weiß, dass es nicht egal ist, wo getanzt wird. Die Umgebung ist zentrales Element unseres Tanzgefühls. Dabei werden die Sinne der Teilnehmer beim Neotango Landscape Event noch umfassender angesprochen, weil nicht nur die Architektur und die Musik auf die Teilnehmer wirken, sondern auch ausgesuchte Visuals der VJane Lea Brugnoli an der Haupttanzfläche des „Alten Gleisboulevards 12“ eingespielt werden.

Mit der Wahl des Geländes Zeche Zollverein stellt der Veranstalter, Eugen Neuloh, Neotango NRW, an jeden Teilnehmer die Frage: wie wirken die Flächen und Gebäude der Zeche Zollverein auf dein Tanzgefühl? Wie verändert sich die Wirkung der Musik? Wie vermessen wir mit unseren Schritten und Figuren die Räume, verändert sich die Stimmung, ist die Verbindung zum Tanzpartner intensiver? Improvisieren wir mehr, weil es der Raum nahelegt? Wie tanzen wir im Wasserbassin der Kokerei? Alles wie immer geht eigentlich nicht, oder?

Zeche Zollverein – der Eiffelturm des Ruhrgebiets

Früher die größte Steinkohlenzeche der Welt. Mit der Zeche Zollverein ist die produktivste und größte Basis des Kohleabbaus gelegt worden, vor allem, um Stahl zu produzieren. Fast 7000 Beschäftigte arbeiteten hier in der Spitze. Ruß im Gesicht, 6 Tage die Woche, 48 Stunden wöchentlich und im Krieg noch mehr. Sie gab die Energie für die gewaltigste Rüstungsproduktion in Europa, die Kruppwerke, und für den schnellen Wiederaufbau nach dem 2.ten Weltkrieg. Das Doppelbock-Fördergerüst von 1930 wurde zum „Eiffelturm des Ruhrgebiets“. Der Himmel war auch sonntags grau. Gleichwohl haben die Menschen Tauben gezüchtet, Kleingärten gepflegt, Musik gemacht, getanzt. In Essen gab es 13 Bandoneonvereine, heute immer noch die „Bandonionfreunde Essen“.

Foto: Pascal Xicluna

Industriestruktur wird zur Industriekultur


Ende 1986 war Schluss, keine Kohleproduktion mehr. Das Gründungsunternehmen, die Franz Haniel Gruppe ist heute Deutschlands größtes Wäschereiunternehmen. Die Kohleförderung der Zeche Zollverein wurde nicht mehr gebraucht. Niederreißen, die Gebäude schleifen und Steine wie Stahlstreben für Bürotürme nutzen?


Zeche Zollverein wurde ein Denkmal und 2001 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie ist heute der Inbegriff des Wandels von Industriestruktur zur Industriekultur. Das renommierte Red Dot Design Museum wurde hier untergebracht, die Folkwang Universität der Künste, auch das choreografische Zentrum NRW PACT residiert in der ehemaligen Waschkaue und veranstaltet Modern Dance Aufführungen.


Und damit kriegen wir Hinweise auf die Frage: was machen wir mit der Location. Die Dinge sind nicht wie sie sind. Sie verändern sich mit der Perspektive, die wir Ihnen geben. Sie verändern sich, wenn wir etwas mit ihnen machen. Es ist eine Wechselbeziehung.
Entsprechend gibt auch der Neotango Landscape Marathon dem Gelände einen neuen Sinn. Hier wird das früher durch harte Arbeit und Erfolge der Schwerindustrie gekennzeichnete Gelände mit seinen mächtig ausschauenden industriellen Bauten und Strukturen kulturell neu belebt. Es wird nicht dem Dunkel des Vergessens überlassen wie viele andere alte Industriestätten, sondern ist Teil des Restrukturierungs- und Renaturierungsprogramms für die Region. Das Ruhrgebiet hat sich neu erfunden und ist immer noch dabei, sich lebens- und liebenswert umzugestalten. Der Neotango Landscape Marathon ist Teil davon.

Foto: Pascal Xicluna

Tango als perfektes Medium

Der Tango vom Rio de la Plata und noch mehr seine moderne Form, der Neotango, sind bestens geeignet, die Revitalisierung industrieller Strukturen zu bereichern, denn sie kommen aus einem ähnlichen Milieu und sind reich an Improvisation. Das gilt für die Musik wie für den Tanz. Entstanden in den Einwanderer- und Arbeitervierteln am Rio de la Plata, war der Tango lange von der Oberschicht abgelehnt und wurde nur von der Unterschicht getanzt und gespielt. Das hat sich zwar geändert, aber auch das Revival des Tango in den 80er Jahren spielte sich nicht in den Tanzschulen der Mittelschicht ab, sondern in verlassenen Industrie- und Gewerbehallen (Tango Colon in Köln), Kellergewölben (Don Tango, Köln), alternativen Kulturzentren (Zollhaus, Willich bei Düsseldorf) etc. ab. Historisch gesehen passt das.


Mein Tango

Mittlerweile hat der Tango Argentino auch in Deutschland die Tanzschulen und Ballsäle erreicht, ist aber bei aller Kodifizierung und Verschulung ein improvisations- und spannungsreicher Tanz geblieben. Noch mehr Improvisation, Erforschung und Suche nach dem „eigenen“ Tango können wir derzeit allerdings sowohl in der Tangomusik des 21. Jahrhunderts beobachten wie auch im getanzten Neotango jenseits des kodifizierten „klassischen“ Tangos. So gesehen ist der Neotango Landscape ein optimaler Ansatz, um die Wechselbeziehung von Location und Tanz auszuloten und selbst zu explorieren, freie Figuren im Paar, enge Umarmung, Rollenwechsel, mit den Füssen im Wasser….was heißt Tango für mich im Gelände der Zeche Zollverein?

Foto: Pascal Xicluna

Zum Programm

  • Contemporary Tango, Electrotango, NonTango
  • 28 Stunden Neolonga mit internationalen DJANES:
    – DJ Christine Vervaert, Frankreich
    – DJ Anna Neum, Moskau
    – DJ Mona Isabell, Berlin
  • inmersive Videos von VJ Lea Brugnoli, Stuttgart/Italien
  • Überdachte Haupttanzfäche, weitere Tanzflächen auf dem Gelände
  • Führung über die Zeche Zollverein
  • Kulturcafé
  • Buffet von Bioköchin Karla Ulbert

    Beginn: Freitag, 4.8., 15.00 Uhr
    Ende: Sonntag, 6.8. 24.00 Uhr
    Full Pass: 100 Euro
    Adresse: Zeche Zollverein, Gelsenkirchener Str. 181, 45309 Essen

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