La Misteriosa Buenos Aires: Tango klassisch und modern

Orquesta Típica Misteriosa Buenos Aires. Foto: Yael Szmulewicz

Das „Orquesta Típica Misteriosa Buenos Aires” ist eines der anerkanntesten und repräsentativen Orquesta in den Tango und Milonga-Kreisen von Buenos Aires und international. Während ähnliche Orchester auf diesen Bühnen das Goldene Zeitalter des Tangos feiern, spielt „La Misteriosa“ auch Kompositionen ihres Leiters, des Pianisten Javier Arias. Seit mehr als 10 Jahren pflegt das Orchester eine gut abgestimmte Mischung aus Klassik und Moderne, aus der Notwendigkeit den Auftrag tanzbarer Musik zu erfüllen und dabei auch neue Klänge anzubieten. In ihrer Ästhetik erinnern sie an den Hollywood-Glamour der 50er, musikalisch bieten sie erdige eingängige Musik an.

Javier Arias

„La Misteriosa“ entstand 2008, als die vorausgehende Band unter gleicher Leitung „Fervor de Buenos Aires“ eine schwere innere Krise durchlief. Nach 5 Jahren Tournée durch Lateinamerika und Europa hatte „Fervor” eine CD herausgebracht. Sie organisierten eine eigene Milonga und spielten zuweilen mehrmals die Woche. „Das bedeutete einerseits zu viel Eigenmanagement, andererseits fühlte ich mich in meinen Projekten ausgebremst in all dem was ich erreichen wollte“, erinnert sich Javier Arias. Da „Fervor“ aufgebraucht schien, entschied sich Arias ein neues Orchester aufzubauen, fast von Null an und erklärt: „Ich dachte an ein Orchester, wo ich jene Ideen durchführen konnte, die „Fervor“ mir nicht gestattete.“ War „Fervor“ ein Orchester in typischer Di Sarli-Manier – ein Konzept, das Arias immer noch weiterverfolgt – wird doch deutlich, daß „La Misteriosa“ neue Einflüsse hereinnimmt: es experimentiert mit einer „Milonga latina“ begleitet von Akkordeon und Schlagzeug, es sucht Reibung mit dem Rock (z.B. die wunderschönen Coverversionen von „Seguir viviendo sin tu amor” und „Tema de Pototo” von Luis Alberto Spinetta), und es integriert Arias‘ Eigenkompositionen. Sein „E.G.B.” oder „Pinap” gehören inzwischen fest zum Bühnenrepertoire, und seine Anhänger fordern diese Stücke auf den Milongas in gleichem Maße ein, wie die Klassiker.

„Das was ich zeigen möchte, hat nicht nur musikalischen Charakter; für mich zählen auch das Image, eine eigene Identität und der Aufbau der Show dazu,“ erklärt Arias. „Der Leiter sollte ausprobieren dürfen, und bei der „Misteriosa“ vertrauen die Leute meinen Vorschlägen.“ Während dieser ästhetischen Suche tauchte Eliana Sosa auf. Die erste Sängerin der Band war Marisol Martínez – die spätere Leadsängerin von „Romántica Milonguera“ – doch schon bald kam Eliana Sosa auf und traf Javier Arias‘ musikalischen Nerv: „Ich wollte das Epochale und das Heute musikalisch verbinden und unbedingt eine Sängerin, was später von anderen Bands aufgenommen wurde. Auch wurde bei den Gruppen von heute zunächst weniger an Kleidung und Bühnendarstellung gedacht als bei uns.“

Musikalisch ist bekannt, daß Arias zu einer Generation gehört, die eigentlich begeistert dem Stil von Osvaldo Pugliese folgte. „Mich hat das nicht so interessiert, das war mir nicht melodisch genug, und ich habe mich dafür entschieden, weiterhin den Stil von Di Sarli zu pflegen, obgleich ich mit der Zeit andere Einflüsse zuließ, so wie ich den Tango grade fühlte,“ erklärt er, „man muss einen kontinuierlichen Stil aufbauen, der nicht imitiert.“ Sein Repertoire umfasst unter anderem Elemente von Troilo und Pontier. „Mir gefällt, wie Pontier zusammen mit Julio Sosa spielt, dem letzten typischen Sänger, wobei das musikalische Arrangement und das Arrangement der Stimme besonders gut aufeinander abgestimmt sind, so ähnlich wie bei dem Orchester „Fernández Fierro“ und dem Sänger „Chino“ Laborde.“

Foto: Yael Szmulewicz

„Ich glaube, daß mit der Zeit, sich etwas Pulsierendes herausgebildet hat, das den Klang der „Misteriosa“ abbildet und nicht mehr so sehr Di Sarli spiegelt,“ fasst Javier Arias zusammen. „Ich denke, daß die Bands über die Noten hinausgehen. Sie schaffen eine Energie, einen Puls, einen Gang, der wenn wir puristisch Di Sarli folgten, herrschaftlich klänge und so nicht funktionieren würde, wir leben nicht so,“ sagt er in die Tiefe gehend. „Es gibt Konzepte, die überleben: an erster Stelle, die Melodie, der Gebrauch der Bandoneons, doch wenn es notwendig wäre oder wenn das Arrangement es verlangte, dann breche ich damit.“

Bei der „Misteriosa“ hat die Förderung des Tanzes den gleichen Stellenwert, wie die Präsentation von etwas Neuem. „In meinem Fall bedeutet Komponieren etwas vorzuschlagen. Ich will das auf die Tanzfläche bringen, ich weiß, daß ich spielen werde, und die Leute werden dazu tanzen. Was kann ich also vorschlagen? Welche Gefühle und welchen Ausdruck möchte ich vermitteln? Sie zu einer neuen Melodie tanzen zu sehen, zu einer Harmonie, die nicht den 40ern entspricht… Das finde ich interessant. Etwas vorzuschlagen, das aus meiner Zeit kommt und das bei den TänzerInnen nicht nur eine Erinnerung hervorruft…“ fügt Javier Arias hinzu. „Wenn jemand komponiert, sollte es etwas sein, das sich anders anfühlt. Das muss nicht Avantgarde sein, jedoch ehrlich.“

Quelle: Tango21.info
Übertragung: Dr. Stela Popescu-Böttger


Discographie

  • El sonido de Di Sarli vol​.​1 (2019)
  • Hoy Misteriosa (2018)
  • Tu lado acústico (2015)
  • Una noche en la milonga (2013)
  • De salón (2010)

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