Feste der Orchester Típicas

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Orquesta Tipica Invisible. Foto: Cari Aime
Orquesta Tipica Invisible. Foto: Cari Aime

Julio Coviello und die Aktualität des Orquesta-típica-Formats im heutigen Tango
Die Fiesta de Orquestas Típicas bringt drei Projekte des zeitgenössischen Tangos zu einer gemeinsamen Nacht des Feierns und des ästhetischen Austauschs zusammen.

Am Mittwoch, den 17. Dezember, stehen im Galpón B die Orquesta Invisible, die Orquesta Típica Calle Hidalgo und die Orquesta Típica Di Pasquale gemeinsam auf der Bühne – als Abschluss eines intensiven Jahres für die aktuelle Tangoszene.

Initiiert von Julio Coviello, Bandoneonist und Leiter der Orquesta Invisible, möchte das Treffen die Aktualität des Orquesta-típica-Formats, die Vielfalt musikalischer Suchbewegungen sowie den Austausch unterschiedlicher Publika in einem herausfordernden Kontext sichtbar machen. In diesem Interview reflektiert Coviello über die Entstehung des Festes, die Gegenwart der Orchester Típicas und den kreativen Moment des heutigen Tangos.


Die Fiesta de Orquestas Típicas vereint drei Projekte mit sehr unterschiedlichen Identitäten.
Wie ist diese Initiative entstanden und was hat euch motiviert, dieses kollektive Treffen als Jahresabschluss zu organisieren?

Das Projekt der Fiesta de Orquestas Típicas ist in diesem Jahr entstanden. Wir verstehen uns als Gleichgesinnte – als Musiker*innen, die große Ensembles aufbauen und kontinuierlich an künstlerischen Fragestellungen arbeiten.

Zunächst entstand die Idee, eine gemeinsame Veranstaltung zu machen, und dann dachten wir: Warum nicht ein großes Fest der Orchester Típicas organisieren und alle drei zusammenbringen? Wir beschließen das Jahr in einem Ort wie dem Galpón B, einem befreundeten Veranstaltungsort. Wir feiern gemeinsam, teilen unser Publikum und diese Begeisterung dafür, den Tango in einer so vollständigen und vielseitigen Formation auf die Bühne zu bringen.

Die Vielseitigkeit der Orchester Típica wird an diesem Mittwoch auch durch die Unterschiedlichkeit der drei Orchester hörbar werden.

Orquesta Tipica Di Pasquale

In einem wirtschaftlich schwierigen Kontext ist es nicht leicht, große Orchester zu erhalten.
Was bedeutet das Orquesta-típica-Format heute innerhalb des zeitgenössischen Tangos?

Unabhängig vom wirtschaftlichen Kontext glaube ich, dass man die Orchester Típica der Gegenwart betrachten muss, indem man dieses erste Vierteljahrhundert Tango im 21. Jahrhundert analysiert. In diesen 25 Jahren haben sich zahlreiche Orchester Típicas gebildet, die für heutige Musiker*innen zu Referenzen geworden sind. Einige setzten auf neue Kompositionen und ästhetische Ansätze, andere auf die Wiederbelebung und Weitergabe traditioneller musikalischer Praktiken.

Als Archetyp für Orchester mit neuen Kompositionen und ästhetischen Suchbewegungen sehe ich die Fernández Fierro – ein Orchester, in dem ich 14 Jahre lang gespielt, komponiert und mitgewirkt habe.



Ein anderes emblematisches Beispiel für die Pflege von Traditionen ist die Orquesta El Arranque sowie die Arbeit von Diego Varchausky mit dem Orquesta-Escuela-Projekt Emilio Balcarce.

Zwischen diesen beiden Linien und Archetypen hat sich die Orchester Típica zu Beginn dieses Jahrhunderts stark entwickelt. Musikalisch ist das sehr anziehend und vermittelt das Gefühl, dass sich der Aufwand lohnt – weil er sich künstlerisch lohnt.

Die größten Anstrengungen der Menschheit wurden nie aus wirtschaftlichen Gründen unternommen, sondern aus Überzeugung, aus Ideen heraus, aus dem Wunsch, Dinge zu verändern und eine Überzeugung in der Realität zu verankern.

Julio Coviello.  Foto: Cari Aime
Julio Coviello. Foto: Cari Aime

Die Orquesta Invisible ist ein junges Projekt mit einer starken Identität.
In welchem kreativen Moment erreicht die Orchester diese Veranstaltung, und was kann das Publikum erwarten?

Die Orquesta Invisible wurde in diesem Jahr gegründet; im März haben wir mit den Proben begonnen. Unser Debüt spielten wir mit einem Repertoire aus Tangos, die ich über die letzten Jahre komponiert habe.

Schon bald begannen wir jedoch, gemeinsam zu komponieren – zusammen mit den Mitgliedern des Orchesters. So entstand nach und nach eine breite Identität, aus der sehr unterschiedliche musikalische Ausdrucksformen hervorgehen.
Die Idee ist, dass das Orchester „unsichtbar“ ist und jede einzelne Musikerin und jeder einzelne Musiker immer sichtbarer wird.

Für die Platte, die wir jetzt im Dezember aufnehmen, werden wir das erarbeitete Repertoire festhalten, darunter auch drei eigene Kompositionen. Das ist ein sehr charakteristisches Merkmal des Projekts.



Wo siehst du den zeitgenössischen Tango heute – zwischen den Schwierigkeiten des Kontexts und der kreativen Vitalität der aktuellen Projekte?

Um den Kontext des zeitgenössischen Tangos zu analysieren – wie ihr den Tango von heute nennt –, würde ich nicht die wirtschaftlichen Parameter Argentiniens heranziehen. Da es sich um eine künstlerische Frage handelt, sehe ich vielmehr einen sehr fruchtbaren Moment für künstlerische Vorschläge.

Krisenzeiten erzeugen beim Menschen ein starkes Bedürfnis nach Ausdruck. Und oft reicht eine rein rationale oder textliche Sprache ohne poetischen Atem nicht aus, um sich in solchen Momenten auszudrücken – genau dann treten die künstlerischen Ausdrucksformen besonders stark hervor.

Der heutige Tango ist weit davon entfernt, diese enorme Ausdrucksnotwendigkeit ungenutzt zu lassen. Er nutzt sie, um all das, was Künstler*innen empfinden, in künstlerische Werke zu übersetzen.

Als Beispiel dafür, dass die größten menschlichen Anstrengungen nicht aus finanziellen Gründen entstehen, kann man sagen: San Martín hat die Anden nicht wegen Geld überquert – genauso wenig wie wir Kinder großziehen oder uns um unsere Eltern kümmern.

Orquesta Tipica Invisible. Foto: Cari Aime
Orquesta Tipica Invisible. Foto: Cari Aime

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