Tango21: Fabián, Du bist in den einschlägigen Kreísen des traditionellen Tangos ein bekannter und angesehener Bandoneonspieler – von der Musik Gardels hin bis zu Piazzolla. Warum hast Du mit „Alas de Bandoneon“ dieses Projekt eines zeitgenössischen, aktuellen Tangos gemacht?
Fabián Carbone: Das “Warum” fußt auf einer Idee, die ich seit meinen Anfängen mit mir herumtrage, nämlich das Bandoneon an einen musikalischen Ort zu tragen, mit dem ich mich identifizieren kann, der mir mehr Freiheiten erlaubt in Bezug auf die Musik, die mich schon immer glücklich gemacht hat: ich meine Serú Girán, Spinetta, die Beatles, Ástor Piazzolla, Pink Floyd, Aníbal Troilo, Lito Nebbia… da fehlen mir noch Einige…
Ich glaube, dass der argentinische Rock mit dem Tango schon immer auf subtile Weise verbunden war, und die Wahrnehmung und Verbindung dieser beiden sehr urbanen Genres möchte ich in „Alas de Bandoneón“ – das ich 1994 geschrieben habe – fassbar machen. Selbst wenn der Rock sich vom Tango hat beeinflussen lassen, hat sich der Tango diesem Weg versperrt. Meine Art zu Denken ist voll und ganz bandoniongeleitet, und ich gehe an dieses Konzept heran mit meinem eigenen Sound vor dem Hintergrund eines großen künstlerischen Erbes.
Tango21: Welcher Grundidee folgen Deine Kompositionen?
Fabián Carbone: Da gibt es drei wichtige Punkte:
1- Da ist die Idee, das Bandoneon wie den Sänger einer Rockband zu verstehen: das beinhaltet die Sprache des Tangos, die Phrasierungen und die subversive eigene Tonführung des Instruments, die ich im traditionellen und modernen Tango gelernt habe.
2- Der Gebrauch der technischen Elemente des Tangos selbstverständlich, das Rhythmische ist fundamental, die marcatos, die Synkopen, der „yumba“-Sound, die glissandos, 3-3-2…. Diese ganzen Elemente wurden auf der CD verwendet und gleichsam erschaffen mit Hilfe der exquisiten Mitarbeit meiner Bandfreunde: Abel Calzetta, Lila Horovitz und Arturo García – drei Kreativgenies.
3- Die Hinzunahme der Rockgitarre. Ich liebe den Sound der E-Gitarre, wie u.a. bei BBKing, David Gilmur oder David Lebón. Wenn der Tango der Jazzgitarre Eingang gewährt, dachte ich, wäre es der perfekte Augenblick, diesen magischen Klang, der mich immer schon gefangen genommen hatte, mit seinem ganzen Feeling einzuladen. Das Bandoneon dazuzunehmen, war eine Entdeckung: der Sound fügt sich mit Leichtigkeit ein, nichts muss forciert werden, der Klang fließt von allein.
Es ist Tango, es ist Rock, es ist Musik, es sind die „Alas de Bandoneón“.
Tango21: Was muss ein Tango sein, in deinen Augen?
Fabián Carbone: Ein Tango sollte rhythmisch sein und eine Aussage haben, die sich über die Phrasierung und Artikulierung offenbart. Es ist eine Sprache, die man schon sehr gut kennen sollte, um sich ihr zu nähern. Ich habe viele Jahre gebraucht, und suche mich immer noch in diesem wunderbaren Musikgenre.
Tango21: Ist es wichtig für Dich, daß die Menschen zu Deiner Musik auch tanzen?
Fabian Carbone: Die Kunst ist, glaube ich, dazu da, zu provozieren, zu berühren oder suggestiv zu wirken, mit einer Idee. Wenn unsere Kunst die Milongueros/as und TänzerInnen erreicht, wäre es eine große Freude, wenn sie zu unserer Musik tanzen würden; so wie es sich anfühlt zu wissen, dass Freunde die CD im Auto, auf einer Reise, beim Kochen oder gar als Melomanen gemütlich auf dem Sofa „Alas de Bandoneón“ hören. Da würde mir das Herz aufgehen. Sollten wir mit unserer Musik bis zu den Füßen der Menschen durchdringen, würden wir das zweifellos auf den Milongas zelebrieren. Viva el Tango!